Haltung zeigen: Warum Menschlichkeit wichtiger ist als Minuten
Manchmal bin ich so gar nicht geschäftstüchtig
Vor einiger Zeit hatte ich eine Klientin, bei der schon die Terminvereinbarung etwas umständlich war; der Zeitfaktor, der Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Wir konnten das alles per Mail und Telefon klären, den ersten Termin konnte sie recht kurzfristig wegen Krankheit nicht einhalten, und sie war spürbar zögerlich, deshalb ging ich noch einmal auf sie ein. Es ging ihr um die Kosten: Meinen Honorarsatz kannte Sie, und damit war Sie grundsätzlich einverstanden gewesen.
Ich habe mittlerweile ein gewissen Gespür entwickelt und bot ihr ausnahmsweise einen Pauschalbetrag für 2 Stunden an, egal wie lange es dauern würde – und ihre Unsicherheit war weg.
Die Besprechung begann pünktlich um 18:00 Uhr, und ich bemerkte schnell, dass das Thema, mit dem Sie kam, nicht das war, was sie so am Leben hinderte.
Ich weiß nicht, ob es am Kuchen, dem Orangentee, an meinen bunten Flipcharts oder an meiner Art der Gesprächsführung lag, aber nach kurzer Zeit öffnete sie sich, und ich verstand bald, dass sie einfach etwas mehr Zeit BRAUCHTE, um
Probleme als solche zu erkennen oder – wie in diesem Fall – zu realisieren, dass die Situation gar kein Problem darstellte sondern als Chance wahrzunehmen war und
damit einen Umgang zu finden.
Jedenfalls lehnte sie sich nach dem wirklich sehr ausführlichen Gespräch mit einem erleichterten Seufzer zurück, überlegte kurz, lächelte dann und sprach: "Jetzt hab ichs verstanden, und nun hab ich auch einen Plan. Danke."
Sie schnappte sich die letzte Mandarine und ich sah auf die Uhr: 22 Uhr 14.
Wir hatten also über 4 Stunden gebraucht - mit einem Ergebnis, mit dem die Klientin ab jetzt gut selbst weiterkommen konnte.
Auf meine Frage, ob sie bar bezahlen oder lieber überweisen möchte, senkte sie den Kopf und antwortete: "Bitte überweisen, ich habe nur den Betrag für 2 Stunden mit".
Ich holte meinen Barbelege-Block heraus, füllte diesen aus und erklärte nebenbei, wir haben einen Pauschalbetrag für mehr als 2 Stunden ausgemacht, und ich halte mich an meine Vereinbarungen.
Wenn ich an diese Situation denke, bin ich noch immer sehr gerührt, denn bei der jungen Dame flossen die Tränen.
Sie drückte mir das Geld in die Hand mit vielen Dankeschöns, verabschiedete sich und lief beherzt zur Bushaltestelle.
Ich weiß, geschäftstüchtig ist das nicht, aber als Lebens- und Sozialberaterin – und hier werden mich zumindest Kollegen und Kolleginnen wohl verstehen – ist es unsere Aufgabe, Klienten auch HALT zu geben, in der Beratung genauso wie in unserer HALTUNG.

