Phänomenologie – Die Haltung der Offenheit

04.06.2025

In meiner Arbeit als Lebens- und Sozialberaterin ist mir die phänomenologische Haltung besonders wichtig. Sie ist weit mehr als eine Methode – sie ist eine Einladung. Eine Haltung der Offenheit, der Achtsamkeit und des Vertrauens in das, was sich zeigen möchte.

Jeder Mensch ist ein eigenes Phänomen – unverwechselbar, vielschichtig und zutiefst einzigartig. Deshalb braucht es in der Beratung, im Coaching oder in der Mediation keine vorschnellen Einordnungen, sondern eine liebevolle Zurückhaltung gegenüber allem, was wir schon zu wissen meinen.

Die Phänomenologie bedeutet: Ich bin bereit, mich betreffen zu lassen.
Sie lädt uns ein, jedem Menschen unvoreingenommen zu begegnen, ohne Schubladen, ohne Etiketten, ohne vorgefertigte Annahmen. Selbst Recherchen im Internet – oft gut gemeint – können hinderlich sein, weil sie niemals das Wesentliche zeigen: den Menschen in seinem echten, verletzlichen, lebendigen So-Sein.

In einer Welt, die auf Effizienz und Kategorisierung ausgerichtet ist, wirkt diese Haltung fast radikal:
Der Mensch ist keine Diagnose, kein Fall, kein Projekt.
Der Mensch ist ein Gegenüber. Ein "Jemand", der gehört und gesehen werden will – nicht nur, weil er Hilfe braucht, sondern weil er sie verdient hat.

Beratung in phänomenologischer Haltung bedeutet:

  • Ich arbeite mit Ihnen nicht an einem Problem, sondern mit Ihnen als Mensch.

  • Ich sehe nicht nur, was offensichtlich ist, sondern gebe Raum für das, was sich erst zeigt, wenn Vertrauen wachsen darf.

  • Ich weiß nicht alles – und genau deshalb bin ich offen für das, was sich entfalten möchte.

Diese Offenheit ist kein Mangel an Fachwissen – sie ist das Herzstück echter Begegnung. Sie schenkt dem Menschen die Freiheit, sich in seinem Tempo und in seiner Tiefe zu zeigen.
Und sie schenkt mir als Beraterin die Möglichkeit, wirklich hilfreich zu sein – nicht mit fertigen Lösungen, sondern mit aufrichtigem Mitgehen.

Phänomenologie ist für mich kein theoretisches Konzept, sondern ein Qualitätsmerkmal von Beziehung.
Sie beschreibt eine Haltung, die keine Meinung voraussetzt, sondern eine Haltung, die Vertrauen wachsen lässt.
Sie lässt uns erkennen, dass jeder Weg einzigartig ist – so wie der Mensch, der ihn geht, den ich begleiten darf.